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  • AutorenbildKara Atkin

New York Bastards - In deinem Schatten: Schuld [Bonusstory]



Hallo ihr Lieben ~


Es ist zwar schon eine Weile her, dass im Rahmen der Blogtour zu "New York Bastards - In deinem Schatten" diese Bonusstory auf dem Blog Schwarzbuntgestreift erschienen ist, aber ich wollte sie euch hier auf meiner Website trotzdem zur Verfügung stellen.


Wer also wissen möchte, wie es damals dazu kam, dass Lissiana unter dem Decknamen Katherine zu den Cohen Brüdern gekommen ist, dem wünsche ich ganz viel Spaß beim lesen von "Schuld".



 

Schuld


Butch lehnte die Arme auf das Geländer der Galerie, während er in den Trainingsbereich herunter sah. Sein Blick war vollständig auf das blaue Hexagon aus gepolsterten Matten fixiert, das ihn ein wenig an einen See erinnerte, so wie es sich vom sonst braunen Vinyl-Boden abhob. Dieses Hexagon war eigentlich seine Heimat. Es gab niemanden, der ihn schlagen konnte sobald er einen Fuß auf diese blauen Matten setzte. Nicht einmal sein Bruder.


Und doch war er heute nicht selbst zum Kämpfen hier.


Butch beobachtete genau, wie Katherine sich unter dem Arm von Tiny her duckte, ehe sie das Bein hochzog und ihm einen starken Tritt in die Seite verpasste. Direkt gegen die Rippen. Er schmunzelte leicht, als er sah wie Tiny vor Schmerz das Gesicht verzog, ehe dieser die Hände um ihr Bein schloss und sie mit einem einzigen Ruck zu Fall brachte.


„Pass auf.“ murmelte Butch zu sich selbst, als Tiny Katherine den Rücken zuwandte, um sich seine Wasserflasche zu nehmen. Er dachte vermutlich der Kampf wäre vorüber, weil Katherine am Boden lag. Aber Butch wusste es besser.


Immerhin hatte er sie ausgebildet.


„Das wird er bereuen.“ Als Butch Johns Stimme hörte, sah er überrascht nach rechts. John lehnte gerade neben ihm die Arme auf das Geländer und sah hinunter in den Trainingsbereich, ehe ein lauter Knall zu hören war.


Sofort sah Butch zurück zu dem Trainingsbereich und war wenig überrascht, dass Tiny nun auf dem Boden lag. Ein gezielter Tritt in die Kniekehle konnte nun einmal auch einen solchen Riesen mühelos zu Fall bringen.


„Was bist du?! Ein verdammter Anfänger?!“ Butch schüttelte den Kopf. „Sie wiegt vierzig Kilo weniger als du. Das hätte gar nicht passieren dürfen.“


Tiny drehte sich auf den Rücken und zeigte Butch den Mittelfinger. Die beiden trainierten schon so lange, dass sein T-Shirt vom Schweiß getränkt war und seine Brust sich schwer hob und senkte. Doch das war für Butch auf keinen Fall eine Ausrede für einen derartig dummen Fehler.

„Wäre sie ein echter Gegner, hätte sie dir gerade eine Kugel in den Kopf gejagt, du verdammter Vollidiot.“


„Komm du doch runter und steig mit ihr in den Ring, Arschloch.“ Tiny murrte so laut, dass Butch es sogar von seinem Platz auf der Galerie hören konnte. „Sie ist gut!“ Er warf einen Blick zu Katherine, die zufrieden lächelte. „Und hinterlistig.“


Butch stieß ein Schnauben aus. „Hattest du ernsthaft was anderes erwartet? Gib dir mal ‘n bisschen Mühe!“ Er schüttelte den Kopf und sah John an. Niemandem sonst hätte er es durchgehen lassen, so mit ihm zu sprechen. Doch Tiny war nun mal ein Sonderfall. „Ist der Kerl zu fassen?“


John lachte leise und richtete seinen Blick wieder auf Katherine, der Tiny auf die Füße half, ehe er den Arm um sie schlang und sie kurz an sich presste. Die beiden waren über die letzten Wochen nicht nur Trainingspartner gewesen. Innerhalb dieser Zeit schienen sie sich auch wirklich gut angefreundet zu haben.


Doch es war nicht Katherines vertrauter Umgang mit Tiny, der dafür sorgte, dass Butch sich verspannte. Es war das sanfte Lächeln auf Johns Lippen, das ihn in Alarmbreitschaft versetzte.

Ein solches Lächeln hatte er noch nie bei John gesehen. Und eins war sicher: Es gefiel ihm nicht.

Als er Katherine und John einander vorgestellt hatte, hatte er lediglich vorgehabt, dass die beiden sich etwas näher kamen und Katherine John dabei half, ein wenig abzuschalten.


Etwas Unverbindliches. Etwas Lockeres. Nur Sex.

Doch dieses Lächeln sprach eine gänzlich andere Sprache.


„Musst du nicht arbeiten?“ Butch warf einen Blick auf seine Rolex und zog missbilligend die Stirn in Falten. Es war gegen Mittag. John sollte eigentlich noch in seinem Büro sitzen und sich mit Gabriel um die verdammte Buchhaltung kümmern. Was zum Teufel machte dieser Idiot dann hier?

Obwohl – eigentlich wusste Butch genau was John hier tat.


„Gabe und ich waren heute eher fertig.“ John winkte einfach ab und schmunzelte leicht, als Katherine ihren Zopf nachzog und sich dann wieder in Kampfposition brachte. „Du hast sie gut ausgebildet.“


Butch schnaubte. „Natürlich habe ich das.“ Er knirschte leicht mit den Zähnen. „Ist heute irgendwie der Zweifelt alle an Butch Tag, oder warum klingt ihr beiden Klugscheisser so überrascht darüber, dass sie so gut ist?“ Er beobachtete genau, wie Katherine abwartete und Tiny den ersten Schritt überließ. Gut so. Lass ihn zu dir kommen.


John stieß ein leises Lachen aus. „Es war eigentlich als Kompliment gemeint, Bruder.“ Er schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass ich niemals an dir zweifeln würde.“


Bei Johns Worten räusperte Butch sich leicht und kratzte sich am Hinterkopf. „Lass den Scheiß, Mann. Oder ich denke noch du wirst sentimental.“ Eine warme Hand legte sich auf seine Schulter und Butch schluckte leicht, als John einfach nur leicht zudrückte, bevor er ihm auf die Schulter klopfte.


Eine Weile herrschte Stille, während alles was zu hören war die Schläge und Tritte waren, die Katherine und Tiny austauschten.


Butch nickte zufrieden als er sah, wie Katherine die Dinge umsetzte, die er ihr beigebracht hatte. Was ihr an Masse und Kraft fehlte, glich sie durch Schnelligkeit und Hinterlist aus. Nur so was es überhaupt möglich, einen Mann wie Tiny zu Boden zu schicken. Es hatte ihn Stunden an Training gekostet. Und doch war sie jetzt so etwas wie sein Meisterwerk. Als sie hergekommen war, hatte sie lediglich gewusst, wie man Knochen brach und auswich, um nicht grün und blau aus einem Kampf hervorzugehen. Jetzt wusste sie, wie man sich seine Kraft einteilte, welche Stellen man am besten attackierte und wie man seinen Gegner für seine Schwächen bluten ließ.


„Ich frage mich immer wieder, wie du das machst.“ Johns Stimme war kaum mehr als ein Murmeln. „Sie kämpft völlig anders als du. Schwer zu glauben, dass du sie ausgebildet hast.“


Butch räusperte sich leicht. Bei Gott, er wusste wirklich nicht wie er mit Komplimenten umgehen sollte. Schon gar nicht, wenn sie von John kamen. Sie waren ihm irgendwie unangenehm. Und in letzter Zeit kamen sie auffällig häufig vor.


„Man muss nur genau hinsehen.“ Butch zögerte einen Moment bevor er weiter sprach. „Und mit dem Arbeiten was man vorfindet.“


Er hatte nie eine Grundausbildung im Kämpfen gehabt. Er war kein MMA Champion oder ein ehemaliger Boxer. Nicht einmal in seiner Highschool hatte er irgendeinen Sport in diese Richtung versucht. Die Straße war die einzige Ausbildung gewesen, die er bekommen hatte. Und die war ein verdammt harter und blutiger Lehrmeister gewesen. Er erinnerte sich noch gut daran, wie John und er in diesem dreckigen Hotelzimmer in Dallas einander notdürftig zusammengeflickt hatten, mit nichts weiter als einem gestohlenen Nähset aus dem Krankenhaus und einer Flasche Vodka.

Sie waren grün und blau gewesen, mit mehr Platzwunden, als sie hatten zählen können. Und doch hatten sie gewonnen. Lächerlich, dass es damals um nicht mehr gegangen war, als wer den gestohlenen rostigen Firebird zum Boss vom Viertel bringen durfte, um daraus Geld zu machen. Er war gerade einmal zwölf Jahre alt gewesen. Und doch hatte er in diesem Moment in diesem Motelzimmer eine Entscheidung getroffen, als er das Blut in das gräuliche Waschbecken gespuckt hatte. Damals hatte er sich geschworen, dass er nie wieder derartig zugerichtet aus einem Kampf hervorgehen würde. Und dass auch John niemals wieder so aussehen würde.


Von da an hatte er angefangen wie ein Irrer zu trainieren. Er hatte nicht mehr den Bus zur Schule genommen, wenn er denn mal hingegangen war, sondern hatte die Meilen zum Joggen genutzt. Von den älteren Jungs im Wohnwagenviertel hatte er sich abgeschaut, wie man Muskeln aufbaute, obwohl man keinerlei Geld hatte, um sich in einem Fitnessstudio einzumieten. Und in den illegalen Untergrundkämpfen, wo er und sein Bruder die Wettschulden für die Kleinkriminellen der Nachbarschaft eingetrieben hatten, hatte er jeden Kämpfer genau beobachtet und versucht, ihre Bewegungen nachzuahmen, sobald er zu Hause war. In diesem Wohnwagen hatte er es eh nie länger ausgehalten als die wenigen Stunden, die er geschlafen hatte. Und so war das Training für ihn bald zu mehr geworden als einer reinen Pflicht. Butch mochte vielleicht nicht Johns Intelligenz besitzen, aber auch er hatte ein Talent auf das er stolz war: Und das war seit jeher der Kampf gewesen.


Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Katherine einen leisen Schmerzschrei ausstieß – Tiny packte sich ihren Pferdeschwanz und zerrte sie daran zu Boden. Und erst als Tiny sein Knie auf ihre Brust drückte und sie am Boden bewegungsunfähig machte, klopfte sie mit der flachen Hand auf die Matten, um ihre Aufgabe zu signalisieren. Ihre Kleidung war vom Schweiß getränkt und ihr Gesicht puterrot. Und doch stand sie auf und brachte sich erneut in Kampfhaltung. Und genau dafür mochte Butch sie. Sie ließ sich nicht klein kriegen. Ganz egal wie oft man sie auch in die Mangel nahm.


„Das reicht für heute!“ Butch konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, als Tiny und Katherine sich mit Lauten der Erleichterung auf die Matten sinken ließen. Dann glitt sein Blick unauffällig zu John.


Wieder war da dieses warme Lächeln, das ihn um Jahre jünger erscheinen ließ. Seine Augen hatten diesen Ausdruck, den Butch nicht mehr gesehen hatte, seitdem sie klein gewesen waren. Sein Bruder sah tatsächlich glücklich aus und lachte sogar leise, als Katherine die Hand zu einem erschöpften Gruß hob, den er sofort erwiderte.


„Pass auf dich auf.“ Die Worte waren Butch herausgerutscht, bevor er sie hatte aufhalten können. „Eine Schwäche kannst du dir nicht erlauben.“


John verspannte sich sofort neben ihm. „Lass das mal meine Sorge sein, Butch.“ Ein trockenes und beinahe wütendes Lachen entrang sich seiner Kehle. „Aber ironisch es von dir zu hören. Immerhin hast du sie mir vorgestellt. Und glaub nicht, dass ich nicht weiß, wieso.“


Butch presste die Lippen aufeinander. John benahm sich ihm gegenüber sonst nie derartig defensiv. Nicht einmal wenn Butch mal wieder all seinen Frust und all seine Wut an ihm ausließ, wenn etwas nicht so gelaufen war, wie er es sich gewünscht hatte.


„Ich will lediglich, dass du deine Prioritäten im Auge behältst. Das ist alles.“ Butchs Augen folgten Katherine als sie aufstand, sich ihre Wasserflasche nahm und sich in Richtung der Treppe zur Galerie bewegte.


„Prioritäten ändern sich, Bruder. Das ist der Lauf der Dinge.“


Bei Johns Worten stieß Butch ein warnendes Knurren aus. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen du liebst sie.“


Das Schweigen, dass ihm daraufhin entgegenschlug war Antwort genug.


Plötzlich ergaben die letzten Tage für Butch endlich einen Sinn. John hatte angefangen ihn zu immer mehr Meetings hinzuzurufen, mit denen er eigentlich nichts zu tun hatte. Wann immer sie sich unterhielten, ließ John die ein oder andere Bemerkung zu seinen Aufgaben fallen, die er ja angeblich bald delegieren müsste, obwohl sein enormes Arbeitspensum bisher nie ein Problem gewesen war. Und endlich konnte er sich einen Reim darauf machen, dass sein Bruder ihn für nächste Woche auf ein Abendessen und ein paar Drinks eingeladen hatte.


John wollte ihm offensichtlich etwas sagen. Und Butch konnte bereits jetzt ahnen, worum es dabei gehen würde.


„Das kann nicht dein verdammter Ernst sein.“ Sogar in seinen eigenen Ohren klang Butchs Stimme angriffslustig.


Johns Antwort war knapp und kühl. „Wir reden wann anders darüber.“


„Gibt es da denn überhaupt noch viel zu reden?“ Wieder war das folgende Schweigen eine eindeutig Antwort. Butch kannte John. Besser als sich selbst. Und wenn sein Bruder sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es verdammt schwer ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

Butch sah, wie Katherine die letzten Stufen der Treppe erklomm und wie John sofort wieder dieses warme Lächeln auflegte, bevor er einen Arm um ihre Schultern legte. Als er sich herunter lehnte um sie zu küssen, wandte Butch den Blick ab.


„Sehen wir uns heute Abend wie üblich zum Training?“ Butch sah John nicht einmal an, als dieser ihn direkt ansprach. Er sah nur weiter hinunter auf das blaue Hexagon, während seine Gedanken ein wildes Chaos aus Wut und Enttäuschung bildeten. Und doch wusste er, das ihn all das nicht weiter bringen würde. Wie immer würde Butch die Entscheidungen seines Bruders einfach hinnehmen müssen. Wie der kleine, loyale Soldat, der er nun einmal war.


„Natürlich. Irgendwer muss dir ja in den Hintern treten.“



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